Keine Kohle für die Kohle

Tobias Daur am 14. November 2015

Was am 4.11. im Finanzausschuß von Münster beschlossen wurde, ist deutschlandweit einmalig: Die Stadt zieht ihre Finanzanlagen aus ethisch und ökologisch problematischen Bereichen ab.

Münsters Divestment

Langfristige Finanzanlagen von Pensionskassen, Kirchen, Stiftungen und Kommunen stecken weltweit in Aktien, Beteiligungen und Investementfonts. Mit ihrer Anlage sichern Institutionen ähnlich wie Privatleute ihre Rücklagen.

Die Entscheidung für eine Anlageform enthält aber neben der Hoffnung auf Wertsteigerung oder zumindest Wertenthalt immer auch eine ethische Seite: Banken und Investementfonds finanzieren Kohlekraftwerke, Waffen, Gentechnik, Atomenergie und Kinderarbeit, immer auf der Suche nach dem größten Profit.

Was macht eigentlich mein Geld?

Die Organisation urgewald aus Sassenberg hat recherchiert: In Ihrer Broschüre Was macht eigentlich mein Geld? beschreibt sie das Problem und stellt detailliert vor, wie Alternativbanken wie die GLS-Bank ethisch wirtschaften.

Viel hilft viel

Spannend wird es natürlich dann, wenn nicht nur Privatpersonen sondern große Vermögensverwalter umdenken. Der Norwegische Pensionsfonds Storebrand war bislang einer der 10 größten Kohleinvestoren. Nach einer Kampagne unter der Beteiligung von urgewald hat das norwegische Parlament im Mai 2015 beschlossen, große Kohlekonzerne aus den Investitionen auszuschließen: Kohle-Divestment.

Die Fossil Free Bewegung baut daher weltweit gesellschaftlichen Druck auf, um klimaschädliche Investments zu reduzieren. Seit 2013 machte der münsteraner Ableger mit einer Petition, Veranstaltungen und  Diskussionen das Thema bekannt. Die grüne Ratsfraktion griff den Vorschlag auf und schrieb Divestment in den Koalitionsvertrag mit der SPD hinein.

Die Vorlage V/0663/2015/1 legt die städtische Anlagerichtline fest und definiert Mindeststandards: Keine Kinderarbeit, keine Waffen, keine Atomenergie, keine klimaschädlichen Energien, kein Fracking. Außerdem werden als weitergehende ethische Standards angestrebt: keine Gentechnik, keine Tierversuche bei Kosmetika, keine Bestechung und Korruption.

Entscheidung mit Hebelwirkung

Eine Entscheidung wie die der Stadt Münster birgt eine interessante Hebelwirkung, die der EU-Abgeordnete Reinhard Bütokofer auf seiner Website unter dem Stichwort carbon bubble (Co2-Blase, analog zur Immobilien-Blase)  beschreibt: Fossile Energieträger sind ein Finanzrisiko. Weil ein Großteil der fossilen Reserven aus Klimaschutzgründen nicht verbrannt werden kann, ist der Markt für fossile Energieträger begrenzt, die Investitionen gelten als überbewertet.

Mit dem Rückzug institutioneller Anleger als CO2-intensiven Anlagen geraten alle diejenigen unter Druck, die Anteile an Kohle- Öl- und Gasunternehmen halten. So wird aus einer ethischen Argumentation eine ökonomische – auf einmal ist es für auch amoralische Anleger rational, ihr Investment zu überdenken.

Update 25.11.:

Die Allianz Versicherung hat beschlossen, Münster nachzufolgen und ebenfalls aus den Kohleinvestments auszusteigen. Der Konzern argumentiert sowohl renditebezogen als auch ethisch.

 

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