Wir kaufen uns HessNatur!
Tobias Daur am 16. Juni 2011
Es war eine Baumwollspinnerei in Schottland, bei der erstmals Textilien unter fairen und sozialen Bedingungen hergestellt wurden. Betreiber des Projektes war aber nicht Heinz Hess, der Gründer von Hess Natur. Das mag daran gelegen haben, dass er 1799 noch gar nicht geboren war.
200 Jahre später hatte Hess als Öko-Pionier ein schnell wachsendes Unternehmen geschaffen, einen Versandhandel mit Naturtextilien mit höchstmöglichen Standards bei der Produktion. Und er hatte es fast vor die Wand gefahren: Nur durch den Verkauf an Neckermann überlebte der Betrieb. Zunächst sah es so aus als bliebe alles beim alten – die Werte von HessNatur blieben unangetastet.
Das Rad der Finanzwelt
Was damals der beste Weg zu sein schien, rächt sich heute. Denn das Rad der Finanzwelt dreht sich: Neckermann wurde von der Primondo GmbH übernommen die wiederum der Arcandor AG (Karstadt Quelle AG) gehörte. Arcandor ging 2009 insolvent, nun gehört die Firma dem KarstadtQuelle Mitarbeitertrust e.V., dem Pensionsfonds der Mitarbeiter von Karstadt Quelle. Und die möchten HessNatur offenbar gerne verkaufen. Im Dezember wurde bekannt, dass das private equity Unternehmen Carlyle interessiert ist.
Waffen, jede Menge Waffen
Carlyle ist ein Gemischtwarenladen, offenbar ohne jede Ethik aber mit einer Spürnase für Profit. Carlyle kauft, betreibt und verkauft Firmen. Derzeit gehören der Gesellschaft 6 Unternehmen aus dem Rüstungsbereich, in den vergangenen Jahren waren es insgesamt 26. Darunter sind Unternehmen, die Panzer, Artillerie-Systeme, Marinegeschütze, Rakentenabschußrampen und Munition produzieren.
Klar, dass das nicht so ganz zu HessNatur passt. Auch klar, dass das einem private equity Unternehmen egal ist, solange die Geschäftszahlen stimmen.
Was dann passierte, zeigt, dass LOHAS nicht nur ethisch konsumieren sondern auch ethisch Konsum verweigern können: Über Blogs, Twitter & Co wurde der geplante Verkauf an Carlyle verbreitet, die Kunden von HessNatur, NGOs wie attac, Netzwerk Solidarische Ökonomie und der Kampagne für Saubere Kleidung und Mitarbeiter setzten sich zur Wehr. Die Kunden machten deutlich: Wenn HessNatur Carlyle gehört, werden wir dort nicht mehr einkaufen.
Wir kaufen uns HessNatur
Anfang des Jahres entstand eine verrückte Idee: Wenn wir verhindern wollen, dass das Leuchtturmprojekt der fairen Kleidung verloren geht, müssen wir das Unternehmen selber kaufen. Wir, das sind die Kunden, die Mitarbeiter und Investoren. Und wir müssen dauerhaft verhindern, dass das Unternehmen verkauft werden kann. Die geeignete Rechtsform dafür nennt sich Genossenschaft – die hngeno war geboren.
Interessant zu lesen ist die Satzung der hngeno, die eine gute Balance zwischen Mitarbeitern, Kunden und Investoren erzeugt und dank des Genossenschaftsprinzips (jede(r) hat eine Stimme, unabhängig vom der Zahl der Anteile) das Diktat des Kapitals verhindert. Und ein Anreiz für KundInnen ist auch eingeplant in Form von Rückvergütungen. Wie es sich für eine Einkaufsgenossenschaft gehört.
Der Protest zeigte offenbar Wirkung. Zumindest offiziell ist Carlyle nicht mehr am Kauf von HessNatur interessiert. Allerdings deckte die Frankfurter Rundschau letzte Woche auf, dass der Investor „Paragon Partners“ aus München mitgeboten habe. Der wiederum ist laut attac-Recherchen eng mit Carlyle verbunden.
Es ist also noch alles offen, die hngeno ist aber im Rennen um HessNatur beteiligt. Und freut sich über neue Mitglieder. Wer Anteile zeichnen möchte, kann dies in 250 EUR Schritten tun, ab vier Anteilen kann es sogar eine Verzinsung geben.
167 Jahre zuvor …
Der Betreiber jener schottischen Spinnerei war übrigens Robert Owen. Er ist auch bekannt als Vater der modernen Genossenschaften: 1844 wurde die erste Einkaufsgenossenschaft von Arbeitern nordenglischer Baumwollspinnereien gegründet.
hngeno auf Twitter: http://twitter.com/#!/hnGenoButzbach
hngeno auf Facebook: http://www.facebook.com/hnGenoGenossenschaft
Mitgliedschaft: http://www.hngeno.de/mitglied-werden/
Carlyle
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Ein Kommentar zu “Wir kaufen uns HessNatur!”
Tolle Seite.
Grüße aus Bayern!